Der Zahnwurm ist ein medizinischer Aberglaube. Das Fabeltier, das in den Zähnen lebt, galt lange Zeit als Ursache für Zahnschmerzen. Ein sumerischer Text aus der Zeit um 5000 v. u. Z. (sic!), so behaupteten Suddick und Harris 1990, beschreibt erstmals den Zahnwurm als Ursache für die Zahnkaries. Dabei missdeuten die Autoren eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945. Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann, dann zeigt sich, dass vier Quellen, deren älteste aus der Zeit um 1800 v. Chr. stammt, den Glauben an den Zahnwurm belegen. Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur.

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  • Der Zahnwurm ist ein medizinischer Aberglaube. Das Fabeltier, das in den Zähnen lebt, galt lange Zeit als Ursache für Zahnschmerzen. Ein sumerischer Text aus der Zeit um 5000 v. u. Z. (sic!), so behaupteten Suddick und Harris 1990, beschreibt erstmals den Zahnwurm als Ursache für die Zahnkaries. Dabei missdeuten die Autoren eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945. Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann, dann zeigt sich, dass vier Quellen, deren älteste aus der Zeit um 1800 v. Chr. stammt, den Glauben an den Zahnwurm belegen. Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur. Eine Tafel, die bei Assur entdeckt wurde, deutet darauf hin, dass Zahnwurm und Zahnschmerz verschieden behandelt wurden, was auf ein Verständnis als verschiedene Krankheiten hindeuten könnte. Aus der Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal (669-631/27 v. Chr.) stammt das Werk eines Nabunadinirbu, das den Titel Wenn ein Mensch Zahnschmerzen hat trägt. Möglicherweise handelt es sich um eine Abschrift eines erheblich älteren babylonischen Textes, in dem neben der Beschreibung einer Behandlung vor allem eine rituelle Beschwörung von Bedeutung ist. Darin lehnt der Wurm, wohl ein Dämon oder böser Geist, vor dem höchsten Gott Anu dessen Gaben, nämlich reife Feigen, Aprikosen- und Apfelsaft ab und bevorzugt das Blut der Zähne. Zur Behandlung sollen Emmer-Mischbier, gebrochenes Malz und Sesamöl vermengt und auf den betroffenen Zahn aufgetragen werden. Grundsätzlich nahm man an, dass überall im Körper aus verdorbenen Säften Würmer hervorgehen konnten. Auch im alten Indien (um 650), Ägypten – hier ist es der Papyrus Anastasi IV, 13,7 (um 1400 oder um 1200/1100 v. Chr.), Japan und China – dort war ein kranker Zahn ein „Wurmzahn“, aber auch bei den Azteken – dort wurde beispielsweise Tabak in die Kavität gesteckt – und den Maya wurden Hinweise gefunden, wonach der Zahnwurm für die Karies ursächlich sei. Die Legende vom Zahnwurm findet man ebenso in den Schriften von Homer und noch im 14. Jahrhundert war der Chirurg Guy de Chauliac der Überzeugung, dass Würmer die Karies verursachen. Starken Einfluss hatten in der Alten Welt die Compositiones medicamentorum des Scribonius Largus, des Leibarztes von Kaiser Claudius. Zur Behandlung empfahl er Räucherungen und Spülungen, aber auch Einlagen und Kaumittel sowie die Räucherung mit Bilsenkrautsamen, die aus diesem Grunde als herba dentaria bezeichnet wurden. Dabei deutet er an, dass bisweilen einige Würmchen bei der Behandlung ausgespien werden. Man glaubte also weiterhin an den Wurm, versuchte aber auch durch Auflegen von Würmern das Ausfallen von kranken Zähnen zu beschleunigen. Plinius der Ältere hingegen glaubte nicht an die Existenz des Zahnwurmes, jedoch an eine ähnliche Heilwirkung. Im arabischen Raum glaubte man unter Rückgriff auf ältere Traditionen an Zahnwürmer, wie das Werk des Abu Bakr Muhammad ibn Zakariya ar-Razi, der das Verhältnis von Leib und Seele als von der Seele bestimmt ansah, ebenso zeigt, wie die Werke Avicennas oder Albucasis'. 'Umar ad-Dimašqi, der um 1200 in Damaskus lehrte, lehnte hingegen in seinem Buch des Auserlesenen über die Enthüllung der Geheimnisse und das Zerreißen der Schleier den Zahnwurm und vor allem die Scharlatanerie, die mit Würmern getrieben wurde, ab. Etwa zu dieser Zeit hing Hildegard von Bingen weiterhin dem Wurmglauben an, erkannte aber mangelnde Hygiene als Ursache. Durch Spülen mit Wasser sollte der Livor, eine Ablagerung vermieden werden, die sich um den Zahn legen und die gefürchteten Würmer hervorbringen konnte. Sie empfahl Aloe und Myrrhe sowie Kohlerauch. Constantinus Africanus, der aus Tunesien nach Salerno kam, machte im frühen 11. Jahrhundert die dortige Medizinische Universität berühmt. Er brachte antike Kenntnisse und auch die Säftelehre in den Norden, bestätigte aber auch den Zahnwurm. Pierre Fauchard war 1728 einer der ersten Zahnheilkundigen, die den Zahnwurm nicht als Ursache der Karies ansahen. Erst im 19. Jahrhundert wurden verschiedene wissenschaftliche Theorien zur Entstehung von Karies entwickelt. Ausgangspunkt war die chemoparasitäre Theorie nach Willoughby D. Miller (1890), wonach Milchsäurebakterien bis in die 1960er Jahre als Ursache angesehen wurden. In der Folge entwickelte sich die spezifische Plaquehypothese, gefolgt von einem Paradigmenwechsel, der zur ökologischen Plaquehypothese geführt hat. Auf Grund mehrerer pathogener Faktoren kommt es zur Zerstörung der Zahnhartgewebe in mehreren Stufen. Der Glaube an den Zahnwurm (wie auch an nicht auf die Zähne bezogene und als „Wurm“ gedachte Krankheitsursachen) hielt sich in der Volksmedizin bis ins 20. Jahrhundert. Bis Ende des 20. Jahrhunderts hat sich der Glaube an den Zahnwurm als Schmerzverursacher in ländlichen Gegenden Chinas erhalten und wurde von so manchem Quacksalber ausgenutzt. Drei dieser Betrügereien aus den Jahren 1985, 1987 und 1993 werden aus Taiwan berichtet. (de)
  • Der Zahnwurm ist ein medizinischer Aberglaube. Das Fabeltier, das in den Zähnen lebt, galt lange Zeit als Ursache für Zahnschmerzen. Ein sumerischer Text aus der Zeit um 5000 v. u. Z. (sic!), so behaupteten Suddick und Harris 1990, beschreibt erstmals den Zahnwurm als Ursache für die Zahnkaries. Dabei missdeuten die Autoren eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945. Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann, dann zeigt sich, dass vier Quellen, deren älteste aus der Zeit um 1800 v. Chr. stammt, den Glauben an den Zahnwurm belegen. Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur. Eine Tafel, die bei Assur entdeckt wurde, deutet darauf hin, dass Zahnwurm und Zahnschmerz verschieden behandelt wurden, was auf ein Verständnis als verschiedene Krankheiten hindeuten könnte. Aus der Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal (669-631/27 v. Chr.) stammt das Werk eines Nabunadinirbu, das den Titel Wenn ein Mensch Zahnschmerzen hat trägt. Möglicherweise handelt es sich um eine Abschrift eines erheblich älteren babylonischen Textes, in dem neben der Beschreibung einer Behandlung vor allem eine rituelle Beschwörung von Bedeutung ist. Darin lehnt der Wurm, wohl ein Dämon oder böser Geist, vor dem höchsten Gott Anu dessen Gaben, nämlich reife Feigen, Aprikosen- und Apfelsaft ab und bevorzugt das Blut der Zähne. Zur Behandlung sollen Emmer-Mischbier, gebrochenes Malz und Sesamöl vermengt und auf den betroffenen Zahn aufgetragen werden. Grundsätzlich nahm man an, dass überall im Körper aus verdorbenen Säften Würmer hervorgehen konnten. Auch im alten Indien (um 650), Ägypten – hier ist es der Papyrus Anastasi IV, 13,7 (um 1400 oder um 1200/1100 v. Chr.), Japan und China – dort war ein kranker Zahn ein „Wurmzahn“, aber auch bei den Azteken – dort wurde beispielsweise Tabak in die Kavität gesteckt – und den Maya wurden Hinweise gefunden, wonach der Zahnwurm für die Karies ursächlich sei. Die Legende vom Zahnwurm findet man ebenso in den Schriften von Homer und noch im 14. Jahrhundert war der Chirurg Guy de Chauliac der Überzeugung, dass Würmer die Karies verursachen. Starken Einfluss hatten in der Alten Welt die Compositiones medicamentorum des Scribonius Largus, des Leibarztes von Kaiser Claudius. Zur Behandlung empfahl er Räucherungen und Spülungen, aber auch Einlagen und Kaumittel sowie die Räucherung mit Bilsenkrautsamen, die aus diesem Grunde als herba dentaria bezeichnet wurden. Dabei deutet er an, dass bisweilen einige Würmchen bei der Behandlung ausgespien werden. Man glaubte also weiterhin an den Wurm, versuchte aber auch durch Auflegen von Würmern das Ausfallen von kranken Zähnen zu beschleunigen. Plinius der Ältere hingegen glaubte nicht an die Existenz des Zahnwurmes, jedoch an eine ähnliche Heilwirkung. Im arabischen Raum glaubte man unter Rückgriff auf ältere Traditionen an Zahnwürmer, wie das Werk des Abu Bakr Muhammad ibn Zakariya ar-Razi, der das Verhältnis von Leib und Seele als von der Seele bestimmt ansah, ebenso zeigt, wie die Werke Avicennas oder Albucasis'. 'Umar ad-Dimašqi, der um 1200 in Damaskus lehrte, lehnte hingegen in seinem Buch des Auserlesenen über die Enthüllung der Geheimnisse und das Zerreißen der Schleier den Zahnwurm und vor allem die Scharlatanerie, die mit Würmern getrieben wurde, ab. Etwa zu dieser Zeit hing Hildegard von Bingen weiterhin dem Wurmglauben an, erkannte aber mangelnde Hygiene als Ursache. Durch Spülen mit Wasser sollte der Livor, eine Ablagerung vermieden werden, die sich um den Zahn legen und die gefürchteten Würmer hervorbringen konnte. Sie empfahl Aloe und Myrrhe sowie Kohlerauch. Constantinus Africanus, der aus Tunesien nach Salerno kam, machte im frühen 11. Jahrhundert die dortige Medizinische Universität berühmt. Er brachte antike Kenntnisse und auch die Säftelehre in den Norden, bestätigte aber auch den Zahnwurm. Pierre Fauchard war 1728 einer der ersten Zahnheilkundigen, die den Zahnwurm nicht als Ursache der Karies ansahen. Erst im 19. Jahrhundert wurden verschiedene wissenschaftliche Theorien zur Entstehung von Karies entwickelt. Ausgangspunkt war die chemoparasitäre Theorie nach Willoughby D. Miller (1890), wonach Milchsäurebakterien bis in die 1960er Jahre als Ursache angesehen wurden. In der Folge entwickelte sich die spezifische Plaquehypothese, gefolgt von einem Paradigmenwechsel, der zur ökologischen Plaquehypothese geführt hat. Auf Grund mehrerer pathogener Faktoren kommt es zur Zerstörung der Zahnhartgewebe in mehreren Stufen. Der Glaube an den Zahnwurm (wie auch an nicht auf die Zähne bezogene und als „Wurm“ gedachte Krankheitsursachen) hielt sich in der Volksmedizin bis ins 20. Jahrhundert. Bis Ende des 20. Jahrhunderts hat sich der Glaube an den Zahnwurm als Schmerzverursacher in ländlichen Gegenden Chinas erhalten und wurde von so manchem Quacksalber ausgenutzt. Drei dieser Betrügereien aus den Jahren 1985, 1987 und 1993 werden aus Taiwan berichtet. (de)
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  • Der Zahnwurm ist ein medizinischer Aberglaube. Das Fabeltier, das in den Zähnen lebt, galt lange Zeit als Ursache für Zahnschmerzen. Ein sumerischer Text aus der Zeit um 5000 v. u. Z. (sic!), so behaupteten Suddick und Harris 1990, beschreibt erstmals den Zahnwurm als Ursache für die Zahnkaries. Dabei missdeuten die Autoren eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945. Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann, dann zeigt sich, dass vier Quellen, deren älteste aus der Zeit um 1800 v. Chr. stammt, den Glauben an den Zahnwurm belegen. Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur. (de)
  • Der Zahnwurm ist ein medizinischer Aberglaube. Das Fabeltier, das in den Zähnen lebt, galt lange Zeit als Ursache für Zahnschmerzen. Ein sumerischer Text aus der Zeit um 5000 v. u. Z. (sic!), so behaupteten Suddick und Harris 1990, beschreibt erstmals den Zahnwurm als Ursache für die Zahnkaries. Dabei missdeuten die Autoren eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945. Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann, dann zeigt sich, dass vier Quellen, deren älteste aus der Zeit um 1800 v. Chr. stammt, den Glauben an den Zahnwurm belegen. Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur. (de)
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  • Zahnwurm (de)
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