Mikropolitik ist nach Oswald Neuberger (1995) das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird (siehe auch Blickle & Solga, 2006). Der von Horst Bosetzky (1972) in Anlehnung an Tom Burns (1961/1962) in den deutschen Sprachraum eingeführte Begriff macht damit deutlich, dass Mitarbeiter in Organisationen jenseits der Organisationsziele im Sinne eines Machtkampfes Eigeninteressen verfolgen („strategischer Eigensinn“; „selbstbezogene Interessen“) und dabei die sozialen Strukturen und menschlichen Verhältnisse in Institutionen mitgestalten. Mikropolitik ist weder ein Privileg der Organisations-Eliten noch Ausdruck einer ineffizienten oder gar kriminalisierten Betriebsstruktur. "Nüchtern betrachtet wirkt Mikropolit

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  • Mikropolitik ist nach Oswald Neuberger (1995) das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird (siehe auch Blickle & Solga, 2006). Der von Horst Bosetzky (1972) in Anlehnung an Tom Burns (1961/1962) in den deutschen Sprachraum eingeführte Begriff macht damit deutlich, dass Mitarbeiter in Organisationen jenseits der Organisationsziele im Sinne eines Machtkampfes Eigeninteressen verfolgen („strategischer Eigensinn“; „selbstbezogene Interessen“) und dabei die sozialen Strukturen und menschlichen Verhältnisse in Institutionen mitgestalten. Mikropolitik ist weder ein Privileg der Organisations-Eliten noch Ausdruck einer ineffizienten oder gar kriminalisierten Betriebsstruktur. "Nüchtern betrachtet wirkt Mikropolitik von der Vorstandsetage bis in die Werkshalle" (Schütz, 2015). Begünstigt werden mikropolitische Prozesse dann besonders, wenn eine (zentral) kontrollierende Instanz fehlt oder die Zielsetzungen in der Einrichtung nicht klar genug definiert werden. Unter den extremen Bedingungen von Anomie, einer von Kommunikationsproblemen begleiteten Auflösung der Vorschriften, Kultur und Traditionen einer Organisation, müssen mikropolitische Aktivitäten das entstandene Vakuum durch Neubildung von Einzelinteressen bestimmte informelle Machtzentren füllen. Mikropolitik leistet aber auch in gut strukturierten, funktionsfähigen Organisationen einen wichtigen Beitrag, da nur durch sie erstarrte Verfahren, Regeln und Richtlinien dem Berufsalltag angepasst werden und Modernisierungsprozesse gegen Widerstand durchgesetzt werden können. Mikropolitische Vorgehensweisen können auch als Aneinanderreihung von Spielen betrachtet werden (Crozier & Friedberg (1979); Mintzberg (1983)). Die formalen und informellen Spielregeln bilden den Ausgangspunkt für das mikropolitische Handeln, durch das Handeln der Beteiligten werden die Spielregeln aber auch immer wieder verändert und neu definiert. Allgemein ist Mikropolitik ein essentieller Bestandteil von Organisationen, ein Mitspielen ist letztlich Ausdruck von Lebensklugheit und Durchsetzungsfähigkeit, besonders wenn man jenseits des Eigeninteresses für die Organisation selbst etwas bewirken möchte („selbstloses Interesse“). Gleichwohl sind mikropolitische Aktivitäten in Organisationen nur äußerst begrenzt kommunizierbar. In der Innen- und Außendarstellung neigen Organisationen grundsätzlich dazu, Mikropolitik möglichst zu tabuisieren, zu marginalisieren oder gezielt strategische Aktivitäten voranzutreiben, die entsprechende Taktiken eindämmen bzw. unterbinden sollen (z.B. regulatorisch über Verhaltensrichtlinien, Compliance-Standards etc.). Dabei ergibt sich die Situation, dass ausgerechnet jene, die an verantwortlicher Stelle versuchen die ausufernden mikropolitischen Aktivitäten zu beschneiden, sich regelmäßig selbst mikropolitischer Instrumente und Wege bedienen. Gerade eine ausgeprägte Formalisierung von Arbeitsabläufen, die starke Betonung des regulatorischen Rahmens und ausgeprägte Hierarchiestrukturen können tendenziell die Relevanz der Mikropolitik stärken (Schütz, 2015). Auch Widerstand gegen planmäßigen Organisationswandel bedient sich oft mikropolitischer Strategien, ebenso aber die Versuche, diesen Wandel gegen Widerstand durchzusetzen. Mikropolitische Analysen können oft als Erklärung für unbeabsichtigte Effekte herangezogen werden, z. B. für das Scheitern von organisatorischen Reform- und Wandelprozessen. Eine Kontrolle mikropolitischer Strategien in ohnehin stark politisierten Organisationen wie der öffentlichen Verwaltung ist kaum möglich. (de)
  • Mikropolitik ist nach Oswald Neuberger (1995) das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird (siehe auch Blickle & Solga, 2006). Der von Horst Bosetzky (1972) in Anlehnung an Tom Burns (1961/1962) in den deutschen Sprachraum eingeführte Begriff macht damit deutlich, dass Mitarbeiter in Organisationen jenseits der Organisationsziele im Sinne eines Machtkampfes Eigeninteressen verfolgen („strategischer Eigensinn“; „selbstbezogene Interessen“) und dabei die sozialen Strukturen und menschlichen Verhältnisse in Institutionen mitgestalten. Mikropolitik ist weder ein Privileg der Organisations-Eliten noch Ausdruck einer ineffizienten oder gar kriminalisierten Betriebsstruktur. "Nüchtern betrachtet wirkt Mikropolitik von der Vorstandsetage bis in die Werkshalle" (Schütz, 2015). Begünstigt werden mikropolitische Prozesse dann besonders, wenn eine (zentral) kontrollierende Instanz fehlt oder die Zielsetzungen in der Einrichtung nicht klar genug definiert werden. Unter den extremen Bedingungen von Anomie, einer von Kommunikationsproblemen begleiteten Auflösung der Vorschriften, Kultur und Traditionen einer Organisation, müssen mikropolitische Aktivitäten das entstandene Vakuum durch Neubildung von Einzelinteressen bestimmte informelle Machtzentren füllen. Mikropolitik leistet aber auch in gut strukturierten, funktionsfähigen Organisationen einen wichtigen Beitrag, da nur durch sie erstarrte Verfahren, Regeln und Richtlinien dem Berufsalltag angepasst werden und Modernisierungsprozesse gegen Widerstand durchgesetzt werden können. Mikropolitische Vorgehensweisen können auch als Aneinanderreihung von Spielen betrachtet werden (Crozier & Friedberg (1979); Mintzberg (1983)). Die formalen und informellen Spielregeln bilden den Ausgangspunkt für das mikropolitische Handeln, durch das Handeln der Beteiligten werden die Spielregeln aber auch immer wieder verändert und neu definiert. Allgemein ist Mikropolitik ein essentieller Bestandteil von Organisationen, ein Mitspielen ist letztlich Ausdruck von Lebensklugheit und Durchsetzungsfähigkeit, besonders wenn man jenseits des Eigeninteresses für die Organisation selbst etwas bewirken möchte („selbstloses Interesse“). Gleichwohl sind mikropolitische Aktivitäten in Organisationen nur äußerst begrenzt kommunizierbar. In der Innen- und Außendarstellung neigen Organisationen grundsätzlich dazu, Mikropolitik möglichst zu tabuisieren, zu marginalisieren oder gezielt strategische Aktivitäten voranzutreiben, die entsprechende Taktiken eindämmen bzw. unterbinden sollen (z.B. regulatorisch über Verhaltensrichtlinien, Compliance-Standards etc.). Dabei ergibt sich die Situation, dass ausgerechnet jene, die an verantwortlicher Stelle versuchen die ausufernden mikropolitischen Aktivitäten zu beschneiden, sich regelmäßig selbst mikropolitischer Instrumente und Wege bedienen. Gerade eine ausgeprägte Formalisierung von Arbeitsabläufen, die starke Betonung des regulatorischen Rahmens und ausgeprägte Hierarchiestrukturen können tendenziell die Relevanz der Mikropolitik stärken (Schütz, 2015). Auch Widerstand gegen planmäßigen Organisationswandel bedient sich oft mikropolitischer Strategien, ebenso aber die Versuche, diesen Wandel gegen Widerstand durchzusetzen. Mikropolitische Analysen können oft als Erklärung für unbeabsichtigte Effekte herangezogen werden, z. B. für das Scheitern von organisatorischen Reform- und Wandelprozessen. Eine Kontrolle mikropolitischer Strategien in ohnehin stark politisierten Organisationen wie der öffentlichen Verwaltung ist kaum möglich. (de)
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  • Führen und führen lassen (de)
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  • Mikropolitik ist nach Oswald Neuberger (1995) das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird (siehe auch Blickle & Solga, 2006). Der von Horst Bosetzky (1972) in Anlehnung an Tom Burns (1961/1962) in den deutschen Sprachraum eingeführte Begriff macht damit deutlich, dass Mitarbeiter in Organisationen jenseits der Organisationsziele im Sinne eines Machtkampfes Eigeninteressen verfolgen („strategischer Eigensinn“; „selbstbezogene Interessen“) und dabei die sozialen Strukturen und menschlichen Verhältnisse in Institutionen mitgestalten. Mikropolitik ist weder ein Privileg der Organisations-Eliten noch Ausdruck einer ineffizienten oder gar kriminalisierten Betriebsstruktur. "Nüchtern betrachtet wirkt Mikropolit (de)
  • Mikropolitik ist nach Oswald Neuberger (1995) das Arsenal jener alltäglichen „kleinen“ Machtmethoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird (siehe auch Blickle & Solga, 2006). Der von Horst Bosetzky (1972) in Anlehnung an Tom Burns (1961/1962) in den deutschen Sprachraum eingeführte Begriff macht damit deutlich, dass Mitarbeiter in Organisationen jenseits der Organisationsziele im Sinne eines Machtkampfes Eigeninteressen verfolgen („strategischer Eigensinn“; „selbstbezogene Interessen“) und dabei die sozialen Strukturen und menschlichen Verhältnisse in Institutionen mitgestalten. Mikropolitik ist weder ein Privileg der Organisations-Eliten noch Ausdruck einer ineffizienten oder gar kriminalisierten Betriebsstruktur. "Nüchtern betrachtet wirkt Mikropolit (de)
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