Der Materialismusstreit war eine in der Mitte des 19. Jahrhunderts geführte Kontroverse um die weltanschaulichen Konsequenzen der Naturwissenschaften. Beeinflusst durch die methodologische Erneuerung der Biologie und den Niedergang der idealistischen Philosophie wurde in den 1840er Jahren ein Materialismus formuliert, der den Menschen naturwissenschaftlich zu erklären beanspruchte. Im Zentrum der Kontroversen stand die Frage, ob die Ergebnisse der Naturwissenschaften mit dem Konzept einer immateriellen Seele, eines personalen Gottes und eines freien Willens vereinbar sind. Zudem konzentrierte sich die Debatte auf die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen einer materialistischen Weltanschauung.

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  • Der Materialismusstreit war eine in der Mitte des 19. Jahrhunderts geführte Kontroverse um die weltanschaulichen Konsequenzen der Naturwissenschaften. Beeinflusst durch die methodologische Erneuerung der Biologie und den Niedergang der idealistischen Philosophie wurde in den 1840er Jahren ein Materialismus formuliert, der den Menschen naturwissenschaftlich zu erklären beanspruchte. Im Zentrum der Kontroversen stand die Frage, ob die Ergebnisse der Naturwissenschaften mit dem Konzept einer immateriellen Seele, eines personalen Gottes und eines freien Willens vereinbar sind. Zudem konzentrierte sich die Debatte auf die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen einer materialistischen Weltanschauung. In den Physiologischen Briefen aus dem Jahre 1846 erklärte der Zoologe Carl Vogt, dass „die Gedanken in demselben Verhältnis etwa zu dem Gehirn stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren.“ Vogts polemisches Bekenntnis zum Materialismus griff 1854 der Physiologe Rudolf Wagner in einer Rede vor der Göttinger Naturforscherversammlung kritisch auf. Wagner argumentierte, dass der christliche Glauben und die Naturforschung zwei voneinander weitgehend unabhängige Sphären bildeten. Die Naturwissenschaften könnten daher nichts zu den Fragen nach der Existenz Gottes, der immateriellen Seele oder des freien Willens beitragen. „Man darf es nicht immer hingehen lassen, wenn dies frivole Gesindel die Nation um die theuersten von unseren Vätern ererbten Güter betrügen will und schamlos aus dem gährenden Inhalte seiner Eingeweide den stinkenden Athem dem Volke entgegenbläst und diesem weiss machen will, es sei eitel Wohlgeruch.“ Wagners Attacken riefen ebenso scharfe Reaktionen Vogts hervor, wobei der materialistische Standpunkt in den folgenden Jahren ebenfalls von dem Physiologen Jakob Moleschott und dem Arzt Ludwig Büchner, einem Bruder des bekannten Schriftstellers Georg Büchner, verteidigt wurde. Die Materialisten präsentierten sich als Vorkämpfer gegen die philosophische, religiöse und politische Reaktion und konnten auf eine breite Unterstützung im Bürgertum zählen. Das Versprechen einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung entwickelte sich zu einem prägenden Element der kulturellen Konflikte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. (de)
  • Der Materialismusstreit war eine in der Mitte des 19. Jahrhunderts geführte Kontroverse um die weltanschaulichen Konsequenzen der Naturwissenschaften. Beeinflusst durch die methodologische Erneuerung der Biologie und den Niedergang der idealistischen Philosophie wurde in den 1840er Jahren ein Materialismus formuliert, der den Menschen naturwissenschaftlich zu erklären beanspruchte. Im Zentrum der Kontroversen stand die Frage, ob die Ergebnisse der Naturwissenschaften mit dem Konzept einer immateriellen Seele, eines personalen Gottes und eines freien Willens vereinbar sind. Zudem konzentrierte sich die Debatte auf die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen einer materialistischen Weltanschauung. In den Physiologischen Briefen aus dem Jahre 1846 erklärte der Zoologe Carl Vogt, dass „die Gedanken in demselben Verhältnis etwa zu dem Gehirn stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren.“ Vogts polemisches Bekenntnis zum Materialismus griff 1854 der Physiologe Rudolf Wagner in einer Rede vor der Göttinger Naturforscherversammlung kritisch auf. Wagner argumentierte, dass der christliche Glauben und die Naturforschung zwei voneinander weitgehend unabhängige Sphären bildeten. Die Naturwissenschaften könnten daher nichts zu den Fragen nach der Existenz Gottes, der immateriellen Seele oder des freien Willens beitragen. „Man darf es nicht immer hingehen lassen, wenn dies frivole Gesindel die Nation um die theuersten von unseren Vätern ererbten Güter betrügen will und schamlos aus dem gährenden Inhalte seiner Eingeweide den stinkenden Athem dem Volke entgegenbläst und diesem weiss machen will, es sei eitel Wohlgeruch.“ Wagners Attacken riefen ebenso scharfe Reaktionen Vogts hervor, wobei der materialistische Standpunkt in den folgenden Jahren ebenfalls von dem Physiologen Jakob Moleschott und dem Arzt Ludwig Büchner, einem Bruder des bekannten Schriftstellers Georg Büchner, verteidigt wurde. Die Materialisten präsentierten sich als Vorkämpfer gegen die philosophische, religiöse und politische Reaktion und konnten auf eine breite Unterstützung im Bürgertum zählen. Das Versprechen einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung entwickelte sich zu einem prägenden Element der kulturellen Konflikte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. (de)
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  • Der Materialismusstreit war eine in der Mitte des 19. Jahrhunderts geführte Kontroverse um die weltanschaulichen Konsequenzen der Naturwissenschaften. Beeinflusst durch die methodologische Erneuerung der Biologie und den Niedergang der idealistischen Philosophie wurde in den 1840er Jahren ein Materialismus formuliert, der den Menschen naturwissenschaftlich zu erklären beanspruchte. Im Zentrum der Kontroversen stand die Frage, ob die Ergebnisse der Naturwissenschaften mit dem Konzept einer immateriellen Seele, eines personalen Gottes und eines freien Willens vereinbar sind. Zudem konzentrierte sich die Debatte auf die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen einer materialistischen Weltanschauung. (de)
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