Die Anfänge der spanischen Literatur im Mittel- und Spätmittelalter entwickelten sich im Spannungsfeld von lateinischer, westgotischer, arabischsprachiger und jüdisch-hebräischsprachiger Kultur. Durch die 800-jährige muslimische Herrschaft über al-Andalus, das große Teile der iberischen Halbinsel umfasste, und die Convivencia - das Nebeneinander der Kulturen, die jedoch seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Kontakt traten - war der Literaturbetrieb von Multikulturalismus und einer großen Übersetzungstradition geprägt. So verdanken wir beispielsweise der Übersetzerschule von Toledo den Erhalt vieler griechischer Werke (z. B. den vollständigen und authentischen Aristoteles), die dem christlichen Glauben zum Opfer gefallen waren und nun über das Arabische wieder ins Lateinische sowie später i

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  • Die Anfänge der spanischen Literatur im Mittel- und Spätmittelalter entwickelten sich im Spannungsfeld von lateinischer, westgotischer, arabischsprachiger und jüdisch-hebräischsprachiger Kultur. Durch die 800-jährige muslimische Herrschaft über al-Andalus, das große Teile der iberischen Halbinsel umfasste, und die Convivencia - das Nebeneinander der Kulturen, die jedoch seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Kontakt traten - war der Literaturbetrieb von Multikulturalismus und einer großen Übersetzungstradition geprägt. So verdanken wir beispielsweise der Übersetzerschule von Toledo den Erhalt vieler griechischer Werke (z. B. den vollständigen und authentischen Aristoteles), die dem christlichen Glauben zum Opfer gefallen waren und nun über das Arabische wieder ins Lateinische sowie später ins Kastilische (unter Alfonso el Sabio) zurückkehren konnten. Die ersten Sprachdenkmäler in spanischer Volkssprache waren einfache Glossen (Kommentare zu religiösen Texten) aus dem 10. Jahrhundert aus dem Klöstern San Millán de la Cogolla und Silos. Die ersten überlieferten Werke der Lyrik waren Ḫarǧas (Jarchas) in Aljamiado-Schreibweise. Der erste namentlich bekannte spanische Autor war der Kleriker Gonzalo de Berceo (um 1198 - 1264), der in San Millán Heiligenviten und Wundertaten (milagros) der Jungfrau Maria in volkssprachlichen Versen verfasste. Von der Heldenepik ist nur ein Werk (und auch nicht vollständig) erhalten: der Cantar del Mio Cid (um 1200), der auf eine lateinische Quelle zurückgeht. Erwähnenswert ist auch der französische Einfluss auf die Dichtung der Gelehrten, welche zwischen 1230 und 1260 zu einer kurzen Blütezeit fand. Dies wird deutlich, betrachtet man beispielsweise den mester de clerecía, ein vierzeiliger, meist vierzehnsilbiger Reim mit festem Regelwerk. Neben der Lyrik entwickelte sich auch die spanische Prosa unter starkem Einfluss aus dem Ausland. Das erste Prosawerk in kastilischer Sprache, Kalila und Dimna, ist eine Übersetzung aus dem Arabischen und dient zur Unterhaltung einer anspruchsvollen Gelehrtenschicht. Diese Erzählweise stammt aus dem orientalisch-indischen Raum und schaffte so seinen Einzug in die abendländische Literatur. Während in England und Deutschland der Ritterroman zu seiner Blüte fand, befasste sich Spanien nur am Rande mit den Liebes- und Kampferfahrungen der Noblesse: der Caballero Zifar mischt Abenteuer mit Religiosität und vermeidet unchristliche Verhaltensmuster. (de)
  • Die Anfänge der spanischen Literatur im Mittel- und Spätmittelalter entwickelten sich im Spannungsfeld von lateinischer, westgotischer, arabischsprachiger und jüdisch-hebräischsprachiger Kultur. Durch die 800-jährige muslimische Herrschaft über al-Andalus, das große Teile der iberischen Halbinsel umfasste, und die Convivencia - das Nebeneinander der Kulturen, die jedoch seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Kontakt traten - war der Literaturbetrieb von Multikulturalismus und einer großen Übersetzungstradition geprägt. So verdanken wir beispielsweise der Übersetzerschule von Toledo den Erhalt vieler griechischer Werke (z. B. den vollständigen und authentischen Aristoteles), die dem christlichen Glauben zum Opfer gefallen waren und nun über das Arabische wieder ins Lateinische sowie später ins Kastilische (unter Alfonso el Sabio) zurückkehren konnten. Die ersten Sprachdenkmäler in spanischer Volkssprache waren einfache Glossen (Kommentare zu religiösen Texten) aus dem 10. Jahrhundert aus dem Klöstern San Millán de la Cogolla und Silos. Die ersten überlieferten Werke der Lyrik waren Ḫarǧas (Jarchas) in Aljamiado-Schreibweise. Der erste namentlich bekannte spanische Autor war der Kleriker Gonzalo de Berceo (um 1198 - 1264), der in San Millán Heiligenviten und Wundertaten (milagros) der Jungfrau Maria in volkssprachlichen Versen verfasste. Von der Heldenepik ist nur ein Werk (und auch nicht vollständig) erhalten: der Cantar del Mio Cid (um 1200), der auf eine lateinische Quelle zurückgeht. Erwähnenswert ist auch der französische Einfluss auf die Dichtung der Gelehrten, welche zwischen 1230 und 1260 zu einer kurzen Blütezeit fand. Dies wird deutlich, betrachtet man beispielsweise den mester de clerecía, ein vierzeiliger, meist vierzehnsilbiger Reim mit festem Regelwerk. Neben der Lyrik entwickelte sich auch die spanische Prosa unter starkem Einfluss aus dem Ausland. Das erste Prosawerk in kastilischer Sprache, Kalila und Dimna, ist eine Übersetzung aus dem Arabischen und dient zur Unterhaltung einer anspruchsvollen Gelehrtenschicht. Diese Erzählweise stammt aus dem orientalisch-indischen Raum und schaffte so seinen Einzug in die abendländische Literatur. Während in England und Deutschland der Ritterroman zu seiner Blüte fand, befasste sich Spanien nur am Rande mit den Liebes- und Kampferfahrungen der Noblesse: der Caballero Zifar mischt Abenteuer mit Religiosität und vermeidet unchristliche Verhaltensmuster. (de)
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  • Die Anfänge der spanischen Literatur im Mittel- und Spätmittelalter entwickelten sich im Spannungsfeld von lateinischer, westgotischer, arabischsprachiger und jüdisch-hebräischsprachiger Kultur. Durch die 800-jährige muslimische Herrschaft über al-Andalus, das große Teile der iberischen Halbinsel umfasste, und die Convivencia - das Nebeneinander der Kulturen, die jedoch seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Kontakt traten - war der Literaturbetrieb von Multikulturalismus und einer großen Übersetzungstradition geprägt. So verdanken wir beispielsweise der Übersetzerschule von Toledo den Erhalt vieler griechischer Werke (z. B. den vollständigen und authentischen Aristoteles), die dem christlichen Glauben zum Opfer gefallen waren und nun über das Arabische wieder ins Lateinische sowie später i (de)
  • Die Anfänge der spanischen Literatur im Mittel- und Spätmittelalter entwickelten sich im Spannungsfeld von lateinischer, westgotischer, arabischsprachiger und jüdisch-hebräischsprachiger Kultur. Durch die 800-jährige muslimische Herrschaft über al-Andalus, das große Teile der iberischen Halbinsel umfasste, und die Convivencia - das Nebeneinander der Kulturen, die jedoch seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Kontakt traten - war der Literaturbetrieb von Multikulturalismus und einer großen Übersetzungstradition geprägt. So verdanken wir beispielsweise der Übersetzerschule von Toledo den Erhalt vieler griechischer Werke (z. B. den vollständigen und authentischen Aristoteles), die dem christlichen Glauben zum Opfer gefallen waren und nun über das Arabische wieder ins Lateinische sowie später i (de)
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  • Spanische Literatur im Mittel- und Spätmittelalter (de)
  • Spanische Literatur im Mittel- und Spätmittelalter (de)
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