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- Ehe ich die Ehre hatte, bey Signor Metastasio eingeführt zu werden, erhielt ich von völlig zuverlässiger Hand die folgende Nachricht von diesem grossen Dichter, dessen Schriften vielleicht mehr zur Verfeinerung der Vokalmusik, und also der Musik überhaupt, beygetragen haben, als die vereinten Kräfte aller grossen Komponisten in Europa zusammen genommen […] Sein ganzes Leben ist eben so sanft hinfliessend als seine Schriften. Seine häusliche Ordnung geht pünktlich nach Uhr und Glockenschlag, wovon er nicht abweicht. Seit den letzten dreissig Jahren hat er nicht ausser dem Hause gegessen; er läßt sich sehr schwer sprechen, und ist so wenig für neue Personen als neue Dinge. Nur mit drey oder vier Personen hält er einen vertrauten Umgang, und die kommen täglich ohne alle Umstände des Abends von Acht bis Zehn Uhr zu ihm. Er hat die Dintescheu [Tinten-Scheu] und setzt keine Feder an, wenn er nicht muß; eben wie man den Silen erst binden mußte, wenn er singen, und den Proteus, wenn er ein Orakel geben sollte. […] Von lebhaften Unterredungen, wie gemeiniglich unter Männern von Talenten und Gelehrsamkeit vorzufallen pflegen, ist er kein Liebhaber, sondern will lieber mit der Ruhe und der Gemächlichkeit eines unbemerkten Mannes leben, als mit der entscheidenden Art eines Mannes von großem Gewicht Machtsprüche ertheilen. In der That scheint sich in seinem Leben eben die sanfte Heiterkeit zu befinden, welche durch seine Schriften herrscht, worin er, selbst wenn er Leidenschaft mahlt, mehr mit gelaßner Vernunft, als mit Heftigkeit spricht. Und diese ebene, gleichschwebende Anständigkeit und Korrecktheit, welche man durch alle seine Gedichten bemerkt, liegt im Grunde seines Charakters. Er ist vielleicht ebenso selten heftig und stürmisch in seiner Schreibart, als in seinem Leben, und man kann ihm den Dichter aus der goldnen Zeit nennen, in welcher, wie man sagt, Einfalt und Sittsamkeit mehr herrschte, als grosse und heftige Leidenschaft. Die Ergiessungen von Patriotismus, Liebe und Freundschaft, welche mit ausserordentlicher Anmuth von seinen Lippen fliessen, sind sittliche sanftartige Empfindungen, die aus seinem Herzen entspringen, und die Farben von seiner Seele an sich tragen.
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