Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln Alles Leben ist Problemlösen und Auf der Suche nach einer besseren Welt seinen Ausdruck findet.

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  • Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln Alles Leben ist Problemlösen und Auf der Suche nach einer besseren Welt seinen Ausdruck findet. Der Kritische Rationalismus setzt sich mit der Frage auseinander, wie wissenschaftliche oder gesellschaftliche (aber prinzipiell auch alltägliche) Probleme undogmatisch, planmäßig (‚methodisch‘) und vernünftig (‚rational‘) untersucht und geklärt werden können. Dabei sucht er nach einem Ausweg aus der Wahl zwischen Wissenschaftsgläubigkeit (Szientismus) und der Auffassung, dass wissenschaftliches Wissen auf positiven Befunden aufbauen muss (Positivismus) auf der einen Seite, sowie andererseits dem Standpunkt, dass Wahrheit vom Blickwinkel abhängig ist (Relativismus) und dass Wissen der Willkür preisgegeben ist, wenn Beweise unmöglich sind (Wahrheitsskeptizismus). Der Kritische Rationalismus übernimmt die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es die Welt wirklich gibt, und dass sie vom menschlichen Erkenntnis­vermögen unabhängig ist. Das bedeutet beispielsweise, dass sie nicht zu existieren aufhört, wenn man die Augen schließt. Der Mensch aber ist in seiner Erkenntnisfähigkeit dieser Welt durch seine Wahrnehmung begrenzt, so dass er sich keine endgültige Gewissheit darüber verschaffen kann, dass seine Erfahrungen und Meinungen mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmen (Kritischer Realismus). Er muss daher davon ausgehen, dass jeder seiner Problemlösungsversuche falsch sein kann (Fallibilismus). Das Bewusstsein der Fehlbarkeit führt einerseits zu der Forderung nach der ständigen kritischen Prüfung von Überzeugungen und Annahmen, andererseits zum methodischen und rationalen Vorgehen bei der Lösung von Problemen (Methodischer Rationalismus). Der Kritische Rationalismus fragt also zum Beispiel nicht, wie man eine naturwissenschaftliche Theorie beweisen kann, sondern wie man herausfinden kann, ob und wo sie fehlerhaft ist, und was man tun sollte, wenn man einen Fehler gefunden hat (Falsifikationismus). Ein starkes Argument dafür, die Suche nach Beweisen für eine Theorie aufzugeben, ist die Ablösung der Gravitationstheorie von Isaac Newton durch die Relativitätstheorie von Albert Einstein. Newtons Theorie war nach ihrer Entdeckung 200 Jahre lang durch Beobachtung immer wieder ausnahmslos bestätigt worden. Hätte man also überhaupt von einer bewiesenen naturwissenschaftlichen Theorie sprechen können, dann wäre es mit großem Abstand die newtonsche gewesen. Dennoch ließ sich Einstein nicht davon abhalten, die Richtigkeit dieser Theorie anzuzweifeln und ihr eine eigene Theorie gegenüberzustellen. Newton hatte dieser neuen Theorie zufolge zwar auf einem beschränkten Bereich näherungsweise recht gehabt, außerhalb dieses Bereichs war seine Theorie aber fehlerhaft und verbesserungsbedürftig. Sie wäre dann also nicht mehr als Beispiel für eine sichere Theorie zu sehen, sondern eher als Beispiel für die grundsätzliche Fehlbarkeit auch des am sichersten geglaubten menschlichen Wissens. Statt seinerseits nun zu behaupten, Verfahren zum Beweis der eigenen Theorie angeben zu können, schlug Einstein anspruchsvolle Experimente zu ihrer Überprüfung vor und gab an, unter welchen Gegebenheiten er sich gezwungen sehen würde, sie wieder zu verwerfen. Die von Einstein empfohlene Herangehensweise deutet an, wie wissenschaftliche Probleme mittels Versuch und Irrtum gelöst werden können: Hätte seine Theorie die vorgeschlagenen Prüfungen nicht bestanden, so hätte man eine andere ausprobieren können. Vor Einsteins Revolution der Physik war die Ansicht weit verbreitet, dass Beweise von wissenschaftlichen Theorien durch die Methode der Induktion möglich seien. Das ist die Verallgemeinerung eines Sachverhalts ausgehend von einzelnen Beobachtungen. Die wissenschaftstheoretischen Grundaussagen des kritischen Rationalismus sind daher die Verneinung der Möglichkeit einer solchen Induktionsmethode und der Gegenvorschlag der Methode der Falsifikation. Das ist der Versuch, durch Experimente und Beobachtung Gegenbeispiele zu finden. Der Standpunkt des Kritischen Rationalismus zur Politik ist seinem Standpunkt zur Wissenschaft sehr ähnlich. Hier ist nicht ausschlaggebend, wie man im Voraus den besten Herrscher findet oder was man tun sollte, um für ideale Verhältnisse zu sorgen. Stattdessen ist viel wichtiger, wie schlechte Herrscher unblutig abgesetzt und Missstände beseitigt werden können. Ebenso verzichtet er auf dem Gebiet der Ethik und der Gesellschaft auf eine Begründung für Normen und konzentriert sich stattdessen auf die Frage, wie schlechte Regeln erkannt und verbessert werden können. Ethik ist für den Kritischen Rationalismus also das Problemlösen auf sozialem Gebiet. Auch hier fordert er ein kritisch-rationales Vorgehen und den Verzicht auf jegliches Dogma. Wie in der Wissenschaft findet man neue, bessere Lösungen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Um schwerwiegende negative Auswirkungen von Versuchen in diesem Bereich zu vermeiden, spricht sich der Kritische Rationalismus für eine Politik der kleinen Schritte („piecemeal-engineering“ – „Stückwerkstechnik“) aus. In jedem dieser Bereiche wendet der Kritische Rationalismus also das Prinzip der Kritik an, das auf Beobachtung, Überprüfung auf Selbstwidersprüche, Widersprüche zu empirisch-wissenschaftlichen Theorien sowie auf der Erfolgskontrolle hinsichtlich des zu lösenden Problems basiert. So räumt er Kreativität, Phantasie und Staunen über die Welt einen Stellenwert ein, der sich deutlich von dem traditionellen Bild der strengen Sterilität der Wissenschaft distanziert. Sie wird nicht als eine stetige Anhäufung von unfehlbaren Wahrheiten verstanden, andererseits aber auch nicht als Bau von Luftschlössern. Aus der Sicht des Kritischen Rationalismus ist sie vielmehr ein großes Abenteuer und eine spannende Entdeckungsreise. Mit seiner Grundauffassung, dass alle Menschen fehlbar sind, wendet sich der Kritische Rationalismus gegen alle Positionen, die von der Möglichkeit einer Letztbegründung (beispielsweise im Hinblick auf moralische Normen) ausgehen. Er befürwortet eine offene pluralistische Gesellschaft, die tolerant gegenüber allen friedlichen Menschen ist, die Konflikte durch rationale Diskussion und mit Hilfe der aufrichtigen Wahrheitssuche löst; in der die Menschen frei sind, ihrem Leben einen individuellen Sinn zu geben und ihren Weg in einer offenen Zukunft suchen zu können. Dies aber nicht verstanden als gesellschaftliche Utopie, sondern als Verteidigung der real existierenden westlichen Demokratien gegen zynischen Gegenwartspessimismus ebenso wie gegen real existierende totalitäre Staaten. In diesem Sinne bekämpft er jede Form von Bevormundung durch Autoritäten, Intoleranz und Ideologie, Totalitarismus und Irrationalismus. (de)
  • Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln Alles Leben ist Problemlösen und Auf der Suche nach einer besseren Welt seinen Ausdruck findet. Der Kritische Rationalismus setzt sich mit der Frage auseinander, wie wissenschaftliche oder gesellschaftliche (aber prinzipiell auch alltägliche) Probleme undogmatisch, planmäßig (‚methodisch‘) und vernünftig (‚rational‘) untersucht und geklärt werden können. Dabei sucht er nach einem Ausweg aus der Wahl zwischen Wissenschaftsgläubigkeit (Szientismus) und der Auffassung, dass wissenschaftliches Wissen auf positiven Befunden aufbauen muss (Positivismus) auf der einen Seite, sowie andererseits dem Standpunkt, dass Wahrheit vom Blickwinkel abhängig ist (Relativismus) und dass Wissen der Willkür preisgegeben ist, wenn Beweise unmöglich sind (Wahrheitsskeptizismus). Der Kritische Rationalismus übernimmt die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es die Welt wirklich gibt, und dass sie vom menschlichen Erkenntnis­vermögen unabhängig ist. Das bedeutet beispielsweise, dass sie nicht zu existieren aufhört, wenn man die Augen schließt. Der Mensch aber ist in seiner Erkenntnisfähigkeit dieser Welt durch seine Wahrnehmung begrenzt, so dass er sich keine endgültige Gewissheit darüber verschaffen kann, dass seine Erfahrungen und Meinungen mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmen (Kritischer Realismus). Er muss daher davon ausgehen, dass jeder seiner Problemlösungsversuche falsch sein kann (Fallibilismus). Das Bewusstsein der Fehlbarkeit führt einerseits zu der Forderung nach der ständigen kritischen Prüfung von Überzeugungen und Annahmen, andererseits zum methodischen und rationalen Vorgehen bei der Lösung von Problemen (Methodischer Rationalismus). Der Kritische Rationalismus fragt also zum Beispiel nicht, wie man eine naturwissenschaftliche Theorie beweisen kann, sondern wie man herausfinden kann, ob und wo sie fehlerhaft ist, und was man tun sollte, wenn man einen Fehler gefunden hat (Falsifikationismus). Ein starkes Argument dafür, die Suche nach Beweisen für eine Theorie aufzugeben, ist die Ablösung der Gravitationstheorie von Isaac Newton durch die Relativitätstheorie von Albert Einstein. Newtons Theorie war nach ihrer Entdeckung 200 Jahre lang durch Beobachtung immer wieder ausnahmslos bestätigt worden. Hätte man also überhaupt von einer bewiesenen naturwissenschaftlichen Theorie sprechen können, dann wäre es mit großem Abstand die newtonsche gewesen. Dennoch ließ sich Einstein nicht davon abhalten, die Richtigkeit dieser Theorie anzuzweifeln und ihr eine eigene Theorie gegenüberzustellen. Newton hatte dieser neuen Theorie zufolge zwar auf einem beschränkten Bereich näherungsweise recht gehabt, außerhalb dieses Bereichs war seine Theorie aber fehlerhaft und verbesserungsbedürftig. Sie wäre dann also nicht mehr als Beispiel für eine sichere Theorie zu sehen, sondern eher als Beispiel für die grundsätzliche Fehlbarkeit auch des am sichersten geglaubten menschlichen Wissens. Statt seinerseits nun zu behaupten, Verfahren zum Beweis der eigenen Theorie angeben zu können, schlug Einstein anspruchsvolle Experimente zu ihrer Überprüfung vor und gab an, unter welchen Gegebenheiten er sich gezwungen sehen würde, sie wieder zu verwerfen. Die von Einstein empfohlene Herangehensweise deutet an, wie wissenschaftliche Probleme mittels Versuch und Irrtum gelöst werden können: Hätte seine Theorie die vorgeschlagenen Prüfungen nicht bestanden, so hätte man eine andere ausprobieren können. Vor Einsteins Revolution der Physik war die Ansicht weit verbreitet, dass Beweise von wissenschaftlichen Theorien durch die Methode der Induktion möglich seien. Das ist die Verallgemeinerung eines Sachverhalts ausgehend von einzelnen Beobachtungen. Die wissenschaftstheoretischen Grundaussagen des kritischen Rationalismus sind daher die Verneinung der Möglichkeit einer solchen Induktionsmethode und der Gegenvorschlag der Methode der Falsifikation. Das ist der Versuch, durch Experimente und Beobachtung Gegenbeispiele zu finden. Der Standpunkt des Kritischen Rationalismus zur Politik ist seinem Standpunkt zur Wissenschaft sehr ähnlich. Hier ist nicht ausschlaggebend, wie man im Voraus den besten Herrscher findet oder was man tun sollte, um für ideale Verhältnisse zu sorgen. Stattdessen ist viel wichtiger, wie schlechte Herrscher unblutig abgesetzt und Missstände beseitigt werden können. Ebenso verzichtet er auf dem Gebiet der Ethik und der Gesellschaft auf eine Begründung für Normen und konzentriert sich stattdessen auf die Frage, wie schlechte Regeln erkannt und verbessert werden können. Ethik ist für den Kritischen Rationalismus also das Problemlösen auf sozialem Gebiet. Auch hier fordert er ein kritisch-rationales Vorgehen und den Verzicht auf jegliches Dogma. Wie in der Wissenschaft findet man neue, bessere Lösungen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Um schwerwiegende negative Auswirkungen von Versuchen in diesem Bereich zu vermeiden, spricht sich der Kritische Rationalismus für eine Politik der kleinen Schritte („piecemeal-engineering“ – „Stückwerkstechnik“) aus. In jedem dieser Bereiche wendet der Kritische Rationalismus also das Prinzip der Kritik an, das auf Beobachtung, Überprüfung auf Selbstwidersprüche, Widersprüche zu empirisch-wissenschaftlichen Theorien sowie auf der Erfolgskontrolle hinsichtlich des zu lösenden Problems basiert. So räumt er Kreativität, Phantasie und Staunen über die Welt einen Stellenwert ein, der sich deutlich von dem traditionellen Bild der strengen Sterilität der Wissenschaft distanziert. Sie wird nicht als eine stetige Anhäufung von unfehlbaren Wahrheiten verstanden, andererseits aber auch nicht als Bau von Luftschlössern. Aus der Sicht des Kritischen Rationalismus ist sie vielmehr ein großes Abenteuer und eine spannende Entdeckungsreise. Mit seiner Grundauffassung, dass alle Menschen fehlbar sind, wendet sich der Kritische Rationalismus gegen alle Positionen, die von der Möglichkeit einer Letztbegründung (beispielsweise im Hinblick auf moralische Normen) ausgehen. Er befürwortet eine offene pluralistische Gesellschaft, die tolerant gegenüber allen friedlichen Menschen ist, die Konflikte durch rationale Diskussion und mit Hilfe der aufrichtigen Wahrheitssuche löst; in der die Menschen frei sind, ihrem Leben einen individuellen Sinn zu geben und ihren Weg in einer offenen Zukunft suchen zu können. Dies aber nicht verstanden als gesellschaftliche Utopie, sondern als Verteidigung der real existierenden westlichen Demokratien gegen zynischen Gegenwartspessimismus ebenso wie gegen real existierende totalitäre Staaten. In diesem Sinne bekämpft er jede Form von Bevormundung durch Autoritäten, Intoleranz und Ideologie, Totalitarismus und Irrationalismus. (de)
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  • Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln Alles Leben ist Problemlösen und Auf der Suche nach einer besseren Welt seinen Ausdruck findet. (de)
  • Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln Alles Leben ist Problemlösen und Auf der Suche nach einer besseren Welt seinen Ausdruck findet. (de)
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