In der Gastrosophie (aus dem altgriechisch γαστήρ gastro ‚Bauch‘ und σοφία sophia ‚Weisheit‘) wirken verschiedene natur- und geisteswissenschaftliche Fächer zusammen. Dabei steht die kulturwissenschaftliche Erforschung von Ernährung und Gesellschaft im Vordergrund. Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum, wobei nicht nur materielle technische Bereiche, sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen, ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden.

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  • In der Gastrosophie (aus dem altgriechisch γαστήρ gastro ‚Bauch‘ und σοφία sophia ‚Weisheit‘) wirken verschiedene natur- und geisteswissenschaftliche Fächer zusammen. Dabei steht die kulturwissenschaftliche Erforschung von Ernährung und Gesellschaft im Vordergrund. Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum, wobei nicht nur materielle technische Bereiche, sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen, ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden. Ursprünge der Gastrosophie in heutigen Sinne lassen sich schon bei den alten Ägyptern aufzeigen, etwa im Papyrus Ebers, der auf vielschichtige Zusammenhänge zwischen Nahrung und Leben hinweist. In philosophischer Hinsicht sind die griechischen Schriften zur Diätetik wegweisend, insbesondere bei Epikur, der den Bauch zur Wurzel des Guten erklärt. Wichtige Akzentuierungen zum lustbetonten Umgang mit Bauch, Geschmack, Nahrung und Leben finden sich später bei Montaigne. Aufschlussreich für Zusammenhänge zwischen Nahrung und Denken ist die theologische Debatte um die Transsubstantiation, insbesondere bei Descartes. Der moderne Begriff Gastrosophie erscheint 1824 bei William Maginn, ganz im Sinne der „Gastronomie transcendante“, die Jean Anthèlme Brillat-Savarin als Teil einer Physiologie des Geschmacks vorstellt. Die Menschheit wird hier in Verdauungstypen eingeteilt: die Regelmäßigen, die Zurückhaltenden und die Erschlafften. Im deutschsprachigen Raum erscheint der Begriff bei Baron Eugen von Vaerst in der Gastrosophie oder Lehre von den Freuden der Tafel (1851). Darin wird der Genuss von Speisen zu einer Kunstform erhoben, drei Arten von Essern werden unterschieden: Gourmand, Gourmet und Gastrosoph, der beim Essen das Beste auswähle, unter Berücksichtigung der Gesundheit und der Sittlichkeit. Das traditionelle Interesse an „gelehrten Eingeweiden“ betrifft Sexualität und Verdauung. Oberflächlich lässt sich Gastrosophie als Lehre von den Freuden der Tafel verstehen, die sich allerdings nicht auf Lehren von den Freuden von Gaumen und Zunge beschränken kann. Der Bauch symbolisiert den ursprünglichen Sitz aller Formen des Appetits. Entsprechend bildet das Zusammenspiel verschiedener Lüste ein Zentrum gastrosophischer Aufmerksamkeit, etwa bei Brillat-Saverin, Fourrier und Vaerst. Allerdings wird der Begriff seit Ende des 19. Jahrhunderts auch ganz allgemein für Literatur verwendet, die sich der Zubereitung und Darbietung von Speisen und Genussmitteln widmet; das sind im weitesten Sinne Koch- und Rezeptbücher, aber auch Tranchierbücher, Bücher zur Esskunst, zu Tischgeräten (Besteck, Geschirr etc.), zum Servieren, zu Kochgeschirr und Kücheneinrichtungen, zum Backen, zur Konditorei, zum Konservieren und Menükarten können dazu gezählt werden. Der unkritische Gebrauch des Begriffs kann allerdings zur Verflachung der gastrosophischen Reflexion beitragen, bis hin zu Theorien der Bauchverachtung oder der „Gastrophobie“. Als wissenschaftliches Lehrfach steckt die Gastrosophie noch in den Kinderschuhen. Ihr Gegenstandsbereich überschneidet sich u.a. mit der Ernährungssoziologie, der Nahrungsforschung, der Kulturgeschichte, der Anthropologie, der Ökotrophologie, Medizin und der Philosophie. Als deutschsprachiger Gastrosoph wurde Karl Friedrich von Rumohr bekannt, nach dem auch der Karl-Friedrich-von-Rumohr-Ring, die höchste Auszeichnung der Gastronomischen Akademie Deutschlands, benannt ist. (de)
  • In der Gastrosophie (aus dem altgriechisch γαστήρ gastro ‚Bauch‘ und σοφία sophia ‚Weisheit‘) wirken verschiedene natur- und geisteswissenschaftliche Fächer zusammen. Dabei steht die kulturwissenschaftliche Erforschung von Ernährung und Gesellschaft im Vordergrund. Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum, wobei nicht nur materielle technische Bereiche, sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen, ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden. Ursprünge der Gastrosophie in heutigen Sinne lassen sich schon bei den alten Ägyptern aufzeigen, etwa im Papyrus Ebers, der auf vielschichtige Zusammenhänge zwischen Nahrung und Leben hinweist. In philosophischer Hinsicht sind die griechischen Schriften zur Diätetik wegweisend, insbesondere bei Epikur, der den Bauch zur Wurzel des Guten erklärt. Wichtige Akzentuierungen zum lustbetonten Umgang mit Bauch, Geschmack, Nahrung und Leben finden sich später bei Montaigne. Aufschlussreich für Zusammenhänge zwischen Nahrung und Denken ist die theologische Debatte um die Transsubstantiation, insbesondere bei Descartes. Der moderne Begriff Gastrosophie erscheint 1824 bei William Maginn, ganz im Sinne der „Gastronomie transcendante“, die Jean Anthèlme Brillat-Savarin als Teil einer Physiologie des Geschmacks vorstellt. Die Menschheit wird hier in Verdauungstypen eingeteilt: die Regelmäßigen, die Zurückhaltenden und die Erschlafften. Im deutschsprachigen Raum erscheint der Begriff bei Baron Eugen von Vaerst in der Gastrosophie oder Lehre von den Freuden der Tafel (1851). Darin wird der Genuss von Speisen zu einer Kunstform erhoben, drei Arten von Essern werden unterschieden: Gourmand, Gourmet und Gastrosoph, der beim Essen das Beste auswähle, unter Berücksichtigung der Gesundheit und der Sittlichkeit. Das traditionelle Interesse an „gelehrten Eingeweiden“ betrifft Sexualität und Verdauung. Oberflächlich lässt sich Gastrosophie als Lehre von den Freuden der Tafel verstehen, die sich allerdings nicht auf Lehren von den Freuden von Gaumen und Zunge beschränken kann. Der Bauch symbolisiert den ursprünglichen Sitz aller Formen des Appetits. Entsprechend bildet das Zusammenspiel verschiedener Lüste ein Zentrum gastrosophischer Aufmerksamkeit, etwa bei Brillat-Saverin, Fourrier und Vaerst. Allerdings wird der Begriff seit Ende des 19. Jahrhunderts auch ganz allgemein für Literatur verwendet, die sich der Zubereitung und Darbietung von Speisen und Genussmitteln widmet; das sind im weitesten Sinne Koch- und Rezeptbücher, aber auch Tranchierbücher, Bücher zur Esskunst, zu Tischgeräten (Besteck, Geschirr etc.), zum Servieren, zu Kochgeschirr und Kücheneinrichtungen, zum Backen, zur Konditorei, zum Konservieren und Menükarten können dazu gezählt werden. Der unkritische Gebrauch des Begriffs kann allerdings zur Verflachung der gastrosophischen Reflexion beitragen, bis hin zu Theorien der Bauchverachtung oder der „Gastrophobie“. Als wissenschaftliches Lehrfach steckt die Gastrosophie noch in den Kinderschuhen. Ihr Gegenstandsbereich überschneidet sich u.a. mit der Ernährungssoziologie, der Nahrungsforschung, der Kulturgeschichte, der Anthropologie, der Ökotrophologie, Medizin und der Philosophie. Als deutschsprachiger Gastrosoph wurde Karl Friedrich von Rumohr bekannt, nach dem auch der Karl-Friedrich-von-Rumohr-Ring, die höchste Auszeichnung der Gastronomischen Akademie Deutschlands, benannt ist. (de)
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  • In der Gastrosophie (aus dem altgriechisch γαστήρ gastro ‚Bauch‘ und σοφία sophia ‚Weisheit‘) wirken verschiedene natur- und geisteswissenschaftliche Fächer zusammen. Dabei steht die kulturwissenschaftliche Erforschung von Ernährung und Gesellschaft im Vordergrund. Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum, wobei nicht nur materielle technische Bereiche, sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen, ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden. (de)
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