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- Edward F. Pimental (19. Juni 1965 in Fall River (Massachusetts) – 8. August 1985 in Wiesbaden) war ein Soldat der United States Army, der von Terroristen der Rote Armee Fraktion in der Nacht zum 8. August 1985 ermordet wurde, um an seinen Truppenausweis zu kommen. Der Ausweis ermöglichte es, am folgenden Tag eine tödliche Autobombe in der Rhein-Main Air Base zu platzieren. Pimental stammte aus New York City und diente als Specialist für die Wartung von Marschflugkörpern in der 563. Ordnance Company. Seit drei Monaten in der Bundesrepublik – im Wiesbadener Camp Pieri – stationiert, besuchte er am Abend des 7. August 1985 mit anderen GIs die Bar „Western Saloon“ in Wiesbaden, wo Birgit Hogefeld ihn ansprach und mit der Aussicht auf ein sexuelles Abenteuer mitzukommen bat. Gegen 23.30 Uhr folgte er ihr und einem männlichen Begleiter und wurde zwischen Mitternacht und 3 Uhr im Wiesbadener Stadtwald mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Die Tatausführenden sind unbekannt; es wurde später „stumpfe Gewalteinwirkung durch Schläge auf den Kopf“ des noch Lebenden festgestellt. Seine Leiche wurde ohne Papiere am nächsten Morgen gefunden. Mit Pimentals Truppenausweis verschaffte sich ein männliches RAF-Mitglied Zugang zur Rhein-Main Air Base und stellte ein Auto mit 126 Kilogramm Sprengstoff auf dem Parkplatz der Air Base ab. Als die Sprengbombe um 7.19 Uhr explodierte, wurden zwei Menschen getötet und 23 verletzt; der Sachschaden betrug eine Million DM (zu Details siehe Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main Air Base). Die RAF bekannte sich am 9. August in einem gemeinsamen Schreiben mit der französischen Terrororganisation Action directe zu beiden Taten. Dem Durchschlag des Schreibens, das am 13. August bei der Nachrichtenagentur Reuters einging, war Pimentals Ausweis beigelegt. Der Mord an Pimental führte zu Diskussionen in linksradikalen Kreisen und löste laut Wolfgang Kraushaar die „heftigsten Abwehrreaktionen“ aller RAF-Opfer aus, da mit ihm erstmals eine Person ohne wichtigen Status in Politik oder Wirtschaft gezielt getötet wurde. Selbst RAF-Sympathisanten galt dieser Mord – auch wegen der Kaltblütigkeit – als endgültige Kehrtwende weg von den Idealen der 68er-Bewegung. Statt des „ideologieüberfrachteten Vorgehens“ der ersten beiden RAF-Generationen sei hier „einfacher Utilitarismus“ sichtbar geworden, so Alexander Straßner, der die Tat zu einem „Präzedenzfall“ der „fortschreitende[n] Isolation“ innerhalb der radikalen Linken gemacht habe. Irmgard Möller und andere inhaftierte RAF-Mitglieder hielten den Mord wegen der Hinrichtungsähnlichkeit und der Wahl des Opfers anfangs für eine Geheimdienstaktion (Falsche Flagge) und das Bekennerschreiben für eine Fälschung, Mathias Bröckers bezeichnete die Logistik der Tat in der taz als „unter dem Niveau eines beliebigen Frankfurter Eierdiebs“: „Von einem solchen Häuflein Deppen droht dieser Republik keine große Gefahr“. KD Wolff kritisierte „mörderische Dummheit“ und „Tscheka-Stil“: „Alles wäre besser, als so weiterzumorden.“ Für eine Verschärfung der Kritik sorgte die am 25. August 1985 veröffentlichte, zusätzliche Rechtfertigungserklärung der RAF: „wir haben edward pimental erschossen, … der seinen früheren job an den nagel gehängt hat, weil er schneller und lockere kohle machen wollte, weil wir seine id-card gebraucht haben um auf die air-base zu fahren. … für uns sind die us-soldaten in der brd nicht täter und opfer zugleich, wir haben nicht diesen verklärten, sozialarbeiterischen blick auf sie“. Das frühere RAF-Mitglied Klaus Jünschke schrieb exemplarisch in der taz vom 8. Februar 1986, der „Genickschussmord an einem zwanzigjährigen Soldaten“ verdeutliche, „dass die RAF keine verantwortliche Führung mehr hat. Dieser verkommene Haufen hatte im Gegenteil die Stirn, sich dieses feigen Mordes zu brüsten und ihn als neue Qualität im Aufbau einer westeuropäischen Front des Kampfes gegen den Imperialismus hinzustellen“. Fünf Monate nach der Tat bezeichnete die RAF-Kommandoebene angesichts der nicht abreißenden Empörung den Mord in einer Erklärung als „fehler …, der die wirkung des angriffs gegen die air-base und so die auseinandersetzungen um die politisch-militärische bestimmung der aktion, wie der offensive überhaupt, blockiert hat.“ Wolfgang Kraushaar beurteilte das als eine „taktische Kritik, die auf äußeren Druck“ reagierte. Ein solches öffentliches Eingeständnis hatte es vorher noch nicht gegeben, was laut Alexander Straßner den Autoritätsverfall der RAF-Kommandoebene erstmals sichtbar machte. Birgit Hogefeld wurde 1996 wegen verschiedener Taten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main sprach im Zusammenhang mit dem Mord an Pimental, bei dem er die Mittäterschaft Hogefelds wegen Zeugenaussagen aus dem „Western Saloon“ als erwiesen ansah, von „menschenverachtender Gesinnung“, deretwegen ihre Schuld besonders schwer wiege. Sie ließ sich im Prozess zu den Vorwürfen nicht ein, bezeichnete die Tat in einer Prozesserklärung im März 1995 aber als „eine der schlimmsten Fehlentscheidungen der RAF“ und distanzierte sich im Juli 1995 auch von der früheren Erklärung: „es ist falsch und ignorant, diese Aktion sozusagen als «politischen Unfall» abzutun, wie wir das damals gemacht haben.“ In ihrem Schlusswort 1996 sagte sie: „wenn ich mir vorstelle, dass Menschen hergehen und einen jungen Mann erschiessen, weil er Soldat der US-Armee ist und einen Ausweis besitzt, den sie haben wollen, dann empfinde ich das als grauenhaft und zutiefst unmenschlich – anders kann ich das nicht bezeichnen“. Für Hogefelds Reflexion ihrer Lebensgeschichte war die Beschäftigung mit dem Mord an Pimental zentral. 1994 war Eva Haule wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung Pimentals und dem Anschlag auf die Air Base vom selben Senat zu lebenslanger Haft verurteilt worden, da zwei bei inhaftierten RAF-Mitgliedern gefundene Kassiber Haules Identifizierung mit diesen Taten nachwiesen; sie schrieb unter anderem: „Wir haben Fehler gemacht, das weiß jeder. Wer jetzt noch den GI gegen uns ins Feld führt, der macht das, weil er sowieso gegen die RAF ist.“ Angeregt durch die Kontaktaufnahme Andres Veiels, des Regisseurs von Black Box BRD, hat sich Pimentals Schwester Kathleen Pequeño mit Geschichte und Zielen der RAF auseinandergesetzt. Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 hat sie sich verschiedentlich an die Öffentlichkeit gewandt und gegen eine Dämonisierung der Täter von Terrorakten ausgesprochen. (de)
- Edward F. Pimental (19. Juni 1965 in Fall River (Massachusetts) – 8. August 1985 in Wiesbaden) war ein Soldat der United States Army, der von Terroristen der Rote Armee Fraktion in der Nacht zum 8. August 1985 ermordet wurde, um an seinen Truppenausweis zu kommen. Der Ausweis ermöglichte es, am folgenden Tag eine tödliche Autobombe in der Rhein-Main Air Base zu platzieren. Pimental stammte aus New York City und diente als Specialist für die Wartung von Marschflugkörpern in der 563. Ordnance Company. Seit drei Monaten in der Bundesrepublik – im Wiesbadener Camp Pieri – stationiert, besuchte er am Abend des 7. August 1985 mit anderen GIs die Bar „Western Saloon“ in Wiesbaden, wo Birgit Hogefeld ihn ansprach und mit der Aussicht auf ein sexuelles Abenteuer mitzukommen bat. Gegen 23.30 Uhr folgte er ihr und einem männlichen Begleiter und wurde zwischen Mitternacht und 3 Uhr im Wiesbadener Stadtwald mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Die Tatausführenden sind unbekannt; es wurde später „stumpfe Gewalteinwirkung durch Schläge auf den Kopf“ des noch Lebenden festgestellt. Seine Leiche wurde ohne Papiere am nächsten Morgen gefunden. Mit Pimentals Truppenausweis verschaffte sich ein männliches RAF-Mitglied Zugang zur Rhein-Main Air Base und stellte ein Auto mit 126 Kilogramm Sprengstoff auf dem Parkplatz der Air Base ab. Als die Sprengbombe um 7.19 Uhr explodierte, wurden zwei Menschen getötet und 23 verletzt; der Sachschaden betrug eine Million DM (zu Details siehe Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main Air Base). Die RAF bekannte sich am 9. August in einem gemeinsamen Schreiben mit der französischen Terrororganisation Action directe zu beiden Taten. Dem Durchschlag des Schreibens, das am 13. August bei der Nachrichtenagentur Reuters einging, war Pimentals Ausweis beigelegt. Der Mord an Pimental führte zu Diskussionen in linksradikalen Kreisen und löste laut Wolfgang Kraushaar die „heftigsten Abwehrreaktionen“ aller RAF-Opfer aus, da mit ihm erstmals eine Person ohne wichtigen Status in Politik oder Wirtschaft gezielt getötet wurde. Selbst RAF-Sympathisanten galt dieser Mord – auch wegen der Kaltblütigkeit – als endgültige Kehrtwende weg von den Idealen der 68er-Bewegung. Statt des „ideologieüberfrachteten Vorgehens“ der ersten beiden RAF-Generationen sei hier „einfacher Utilitarismus“ sichtbar geworden, so Alexander Straßner, der die Tat zu einem „Präzedenzfall“ der „fortschreitende[n] Isolation“ innerhalb der radikalen Linken gemacht habe. Irmgard Möller und andere inhaftierte RAF-Mitglieder hielten den Mord wegen der Hinrichtungsähnlichkeit und der Wahl des Opfers anfangs für eine Geheimdienstaktion (Falsche Flagge) und das Bekennerschreiben für eine Fälschung, Mathias Bröckers bezeichnete die Logistik der Tat in der taz als „unter dem Niveau eines beliebigen Frankfurter Eierdiebs“: „Von einem solchen Häuflein Deppen droht dieser Republik keine große Gefahr“. KD Wolff kritisierte „mörderische Dummheit“ und „Tscheka-Stil“: „Alles wäre besser, als so weiterzumorden.“ Für eine Verschärfung der Kritik sorgte die am 25. August 1985 veröffentlichte, zusätzliche Rechtfertigungserklärung der RAF: „wir haben edward pimental erschossen, … der seinen früheren job an den nagel gehängt hat, weil er schneller und lockere kohle machen wollte, weil wir seine id-card gebraucht haben um auf die air-base zu fahren. … für uns sind die us-soldaten in der brd nicht täter und opfer zugleich, wir haben nicht diesen verklärten, sozialarbeiterischen blick auf sie“. Das frühere RAF-Mitglied Klaus Jünschke schrieb exemplarisch in der taz vom 8. Februar 1986, der „Genickschussmord an einem zwanzigjährigen Soldaten“ verdeutliche, „dass die RAF keine verantwortliche Führung mehr hat. Dieser verkommene Haufen hatte im Gegenteil die Stirn, sich dieses feigen Mordes zu brüsten und ihn als neue Qualität im Aufbau einer westeuropäischen Front des Kampfes gegen den Imperialismus hinzustellen“. Fünf Monate nach der Tat bezeichnete die RAF-Kommandoebene angesichts der nicht abreißenden Empörung den Mord in einer Erklärung als „fehler …, der die wirkung des angriffs gegen die air-base und so die auseinandersetzungen um die politisch-militärische bestimmung der aktion, wie der offensive überhaupt, blockiert hat.“ Wolfgang Kraushaar beurteilte das als eine „taktische Kritik, die auf äußeren Druck“ reagierte. Ein solches öffentliches Eingeständnis hatte es vorher noch nicht gegeben, was laut Alexander Straßner den Autoritätsverfall der RAF-Kommandoebene erstmals sichtbar machte. Birgit Hogefeld wurde 1996 wegen verschiedener Taten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main sprach im Zusammenhang mit dem Mord an Pimental, bei dem er die Mittäterschaft Hogefelds wegen Zeugenaussagen aus dem „Western Saloon“ als erwiesen ansah, von „menschenverachtender Gesinnung“, deretwegen ihre Schuld besonders schwer wiege. Sie ließ sich im Prozess zu den Vorwürfen nicht ein, bezeichnete die Tat in einer Prozesserklärung im März 1995 aber als „eine der schlimmsten Fehlentscheidungen der RAF“ und distanzierte sich im Juli 1995 auch von der früheren Erklärung: „es ist falsch und ignorant, diese Aktion sozusagen als «politischen Unfall» abzutun, wie wir das damals gemacht haben.“ In ihrem Schlusswort 1996 sagte sie: „wenn ich mir vorstelle, dass Menschen hergehen und einen jungen Mann erschiessen, weil er Soldat der US-Armee ist und einen Ausweis besitzt, den sie haben wollen, dann empfinde ich das als grauenhaft und zutiefst unmenschlich – anders kann ich das nicht bezeichnen“. Für Hogefelds Reflexion ihrer Lebensgeschichte war die Beschäftigung mit dem Mord an Pimental zentral. 1994 war Eva Haule wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung Pimentals und dem Anschlag auf die Air Base vom selben Senat zu lebenslanger Haft verurteilt worden, da zwei bei inhaftierten RAF-Mitgliedern gefundene Kassiber Haules Identifizierung mit diesen Taten nachwiesen; sie schrieb unter anderem: „Wir haben Fehler gemacht, das weiß jeder. Wer jetzt noch den GI gegen uns ins Feld führt, der macht das, weil er sowieso gegen die RAF ist.“ Angeregt durch die Kontaktaufnahme Andres Veiels, des Regisseurs von Black Box BRD, hat sich Pimentals Schwester Kathleen Pequeño mit Geschichte und Zielen der RAF auseinandergesetzt. Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 hat sie sich verschiedentlich an die Öffentlichkeit gewandt und gegen eine Dämonisierung der Täter von Terrorakten ausgesprochen. (de)
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